Der Hl. Lambertus und die Lambertikirche

Der Heilige Lambertus

Lambertus ist Stadtpatron Oldenburgs und Namenspatron der Hauptkirche der Stadt. Noch heute verleiht die Stadt Oldenburg das sog. „Lambertussiegel“ von 1366 als Auszeichnung an verdiente Bürgerinnen und Bürger. Darüber hinaus spielt der Heilige im Bewusstsein der Bewohner Oldenburgs aber nur eine untergeordnete Rolle. Verschiedene Aktivitäten der Lambertikirche und anderer Institutionen zielen darauf, den Hl. Lambertus wieder stärker in das öffentliche Leben der Stadt einzubringen. Dazu gehört die Begehung des Lambertus-Tages am 17. September, aber auch die Sichtbarmachung des Heiligen mit einer neugeschaffen Skulptur für die Lambertikirche.


Das Leben des Hl. Lambertus

Lambertus ist ein Heiliger des 7./8. Jahrhunderts, an dem sichtbar wird, was der Glaube an Christus in einem Menschenleben bedeuten kann und wie der Glaube Gestalt gewinnt: Am Ende die Gestalt des betenden Lambertus, der auf Gegenwehr verzichtet und dennoch von seinen Mördern getötet wird.

Lambertus war anderes in die Wiege gelegt als das Schicksal eines Märtyrers. Er entstammte einer bedeutenden Familie des Frankenreiches. Seine Familie gehörte zu der kriegerischen germanischen Oberschicht, die im vom fünften bis achten Jahrhundert die Macht in Westeuropa innehatte. Er stammte aus dem fränkischen Kernland, dem Raum am Mittellauf der Maas. Maastricht und Lüttich sind bis heute die beiden wichtigsten Städte dieser Region. Lambertus wuchs hinein in die Welt des Adels mit seinen – noch aus germanischer Zeit stammenden – kriegerischen Idealen. Er wuchs bereits als Kind einer christlichen Familie auf, aber es gab auch in der Führungsschicht immer noch heidnische Familien und auch in den christlichen Familien noch viel heidnische Vorstellungen. Die Gesetze der Blutrache gehörten dazu.

Lambertus wurde von seinem Vater schon früh auf eine geistliche Laufbahn vorbereitet. Er lernte Latein und so die Heilige Schrift kennen, genauso wurde er aber auch im Gebrauch der Waffen und der Kriegsführung ausgebildet. Er wurde schließlich Bischof von Maastricht und damit einer der einflussreichsten Männer der Region. Er hatte auch gute Verbindungen zum Königshaus, fiel dementsprechend aber bei einem Machtwechsel in Ungnade und wurde für sieben Jahre in ein Kloster verbannt. Dort ereignete sich die einzige wundersame Episode, die seine älteste Lebensbeschreibung kennt.

Er wird schließlich wieder in seine bischöflichen Rechte eingesetzt, beteiligt sich an der Friesenmission und verwaltet sein Bistum. Eine kritische Wendung nimmt sein Leben dadurch, dass aus einer rivalisierenden adeligen Sippe zwei „Schlägertypen“ nach Maastricht gesandt werden, mit der Maßgabe, dort für Unruhe zu sorgen. Das tun die beiden so erfolgreich, dass schließlich zwei Neffen des Lambertus diese beiden Quälgeister erschlagen. Damit beginnt die fatale Spirale der Blutrache. Dodo, ein Onkel der beiden Unruhestifter schwört Rache und sucht eine günstige Gelegenheit zur Vergeltung. Er findet sie, als Lambertus mit einem kleinen Gefolge auf seinem Landgut „Leodium“ verweilt. Dort überfällt Dodo mit einer weitaus größeren Zahl eigener Kämpfer Lambertus und seine Männer. Im Morgengrauen beginnt der Kampf. Lambertus hat zunächst den Impuls, sich mit dem Schwert in der Hand auf die Gegner zu stürzen. Alle seine adeligen Erziehungsmuster raten ihm dazu. Aber er besinnt sich, findet einen Weg zu seinem christlichen Glauben und beschließt, keine Gewalt anzuwenden. Er legt das Schwert aus der Hand und überredet seine Männer, das gleiche zu tun. Darunter sind auch die beiden Neffen, die an dem Mord eigentlich schuldig sind. Sie bestürmen ihren bischöflichen Onkel, sich zu wehren. Er aber weigert sich und sagt, dass er Christus so sehr liebe, dass er lieber sterben wolle, als die Schuld an erneutem Blutvergießen auf sich zu laden. Die Friedensbotschaft Christi ist bei ihm angekommen und es stehen ihm die Wort vor Augen, die Jesus seinen Jüngern beim Abschied über sich selbst sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“. Seine Neffen erbitten in letzter Not eine Art Gottesurteil von ihm. Sie fordern, er solle in der Bibel zeigen, was Gottes Wille in dieser Situation sei. Daraufhin schlägt Lambertus seine Ausgabe der Psalmen auf und zitiert ihnen einen Vers, der in der Textüberlieferung seiner Zeit so lautet: Ps 31,24 (Ps 30,24 nach Vulgata-Zählung): „Denn der Herr fordert das Blut seiner Knechte“ und führt ihnen noch das Beispiel des Zacharias, der im Tempel erschlagen wurde, als Vorbild an. Schließlich bittet Lambertus alle seine Männer, auf seinen letzten Wunsch zu hören, also keine Gewalt zu üben, ihre Sünden Christus zu bekennen und ihn – so wie Lambertus es tut – zu lieben. Er schließt mit den Worten: „Ich muss nun sterben und werde mit Gott leben“. Schließlich finden ihn die Männer des Dodo ausgestreckt im Gebet auf dem Boden liegend und töten ihn. Damit ist die Spirale der Blutrache durchbrochen. Die Männer des Dodo sind vollkommen überrascht von dem, was ihnen begegnet ist. Ein mächtiger Bischof aus adeliger Familie, der sich nicht verteidigt, sondern sich ohne Gegenwehr töten lässt. Die Legende kleidet dieses Erstaunen über den starken Glauben des Lambertus in eine Geschichte. Sie berichtet, dass einer der Männer, der zu Wache auf dem Dach des Landgutes postiert war, im Moment des Todes die Seele des Lambertus, von Engeln getragen, zum Himmel auffahren hat sehen. Sein Sterben wird von den Zeitgenossen sofort in den Kriterien gedeutet, die Lambertus selbst festgelegt hat. Er opfert sich aus Liebe zu Christus und verhindert damit eine Eskalation der Gewalt zwischen zwei mächtigen Sippen des fränkischen Adels. Das ist für die Menschen seiner Zeit – und bis heute – ein so überzeugendes Beispiel für christliches Leben. Dadurch wird er zu einem Heiligen. Die Verehrung des Lambertus setzt sofort ein und führt dazu dass bald eine Kirche über dem Ort seines Todes erbaut wird, in der er schließlich auch bestattet wird. Daraus ist im Lauf der Zeit die Stadt Lüttich geworden, die ihren Namen nach dem Landgut „Leodium“ bekommen hat.

Stadtsiegel der Stadt Oldenburg von 1366; Foto: Stadt Oldenburg

Der Hl. Lambertus und Oldenburg

Die Verehrung des Hl. Lambertus fand ihren Niederschlag vor allem in Kreisen des Adels. Und das, obwohl sein Sterben um Christi willen, eine Infragestellung der ritterlichen Lebensprinzipien von Ehre und Rache war.

Die Fernwirkung davon erreichte im 12. und 13. Jahrhundert auch Oldenburg. Unsere Grafen weihten die Hauptkirche ihres Residenzortes diesem Heiligen. Lambertus war nicht nur modern oder chic in adeligen Kreisen. Seine Verehrung war vor allem eine Hinführung zu Christus. Christus so sehr zu lieben wie der Hl. Lambertus es getan hat, war die Aussage, die mit der Stiftung einer Lambertikirche gemacht wurde. Unsere Stadt hat das übernommen, als sie 1366 das große Stadtsiegel schuf. Dort zeigt sich Lambertus als bischöfliche Gestalt in der Mitte des Siegels. Das sollte sagen: Auch unsere Stadt will Christus so sehr lieben wie der Hl. Lambertus.

Hl. Lambertus

Seine Bedeutung reicht bis in die Gegenwart. Er ist für Christen ein Vorbild im Glauben, weil er die tödliche Spirale der Blutrache unterbrochen hat. Wer heute das Vorbild des Hl. Lambertus vor Augen hat, wird sich nicht so schnell einspannen lassen in die Spirale der Gewalt. Wer das Vorbild des Hl. Lambertus heute vor Augen hat, wird seine Rache- und Kampfgelüste noch einmal vor dem Maßstab Christi überprüfen, und dann auf Gewalt verzichten. Wer das Vorbild des Hl. Lambertus vor Augen hat, wird nicht menschlichen Rattenfängern auf den Leim gehen, sondern den Weg des Friedens beschreiten, den Jesus Christus selbst gewiesen hat.


Das Projekt Lambertus-Figur

Im Zuge der Feiern zum 1300jährigen Jubiläums des Martyriums des Hl. Lambertus am 17. September 2005 entsand die Idee, den Patron der Lambertikirche in irgendeiner Form wieder sichtbar zu machen. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Oldenburg und der Lions-Club „Oldenburg-Lambertus“ haben sich dazu zusammengetan. Der Erfolg des 2005 unter Federführung des Lions-Club durchgeführten Schülerkulturfestivals „walking art“, eröffnete die Überlegung, ob nicht auch dieses Projekt mit Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden könnte. In Oldenburg gibt es aber keine schulische Bildhauerausbildung. Es Bestand aber bereits ein guter Kontakt zu dem Flensburger Künstler Uwe Appold, der 2002 eine große Ausstellung mit der Stadtkirchenarbeit an der Lambertikirche in Oldenburg durchgeführt hatte. Uwe Appold gab den Anstoß, die Holzbildhauerklasse der Berufsfachschule in Flensburg für dieses Projekt zu gewinnen.


Die alte Lambertus-Figur der Lambertikirche

Es gab eine Lambertus-Figur aus dem Mittelalter in der Lambertikirche. Sie sorgte dafür, dass der Stadtheilige den Menschen in Oldenburg stets vor Augen stand. Die Figur wird das erste und letzte Mal am 19. April 1530 erwähnt, dort heißt es in einem Übergabeprotokoll verschiedener Gegenstände aus der Kirche: „Ock eyn belde van sunte Lamberde, unde dar ys ave de bischups staff unde swert.“ (Oldb UB IV, 1319) Auf Hochdeutsch: „Auch eine Figur von Sankt Lambertus, an der fehlen der Bischofsstab und das Schwert.“

Lambertus mit Schwert und Bischofsstab; Foto: Kirchengemeinde Oldenburg

Lambertus mit Schwert und Bischofsstab

Auch wenn die hier abgebildete Statue aus Haffen (in der Nähe v. Wesel) deutlich jünger sein dürfte, als die literarisch belegte Lambertus-Figur der Lambertikirche, handelt es sich doch um den gleiche Typus. In anderen Darstellungen wird Lambertus auch mit Bischofsstab und Lanze (als Martyriums-Instrument) dargestellt. Weiterhin gibt es auch Einzeldarstellungen mit Buch und Bischofsstab. Für die Lambertikirche in Oldenburg ist ein Rückgriff auf die Darstellung mit Schwert und Bischofsstab auf jeden Fall geboten.

 

Sitzender Lambertus mit Buch und Bischofsstab aus Blicquy um 1480; Foto: Kirchengemeinde Oldenburg

Ein stehender Lambertus

Durch die Attribute Schwert und Bischofsstab legt sich für die Lambertikirche in Oldenburg eine stehende Figur nahe, da bei einer sitzenden Darstellung die beiden langen Gegenstände nicht plausibel unterzubringen sind. Wenn Lambertus hingegen mit den Attributen Buch und Stab dargestellt wird, gibt es auch gelungene sitzende Figuren, wie z.B. die aus Blicquy um 1480 zu sehen.

Die Aufgabe für die Bildhauerklasse

Mit diesen Informationen zum historischen Lambertus und seiner Ikonographie sollten die Schülerinnen und Schüler eine eigenständige, moderne Interpretation des Themas „Heiliger Lambertus“ entwickeln. Über den Verlauf dieses Projekts berichtet nun der Klassenlehrer der Holzbildhauerklasse.


Das Projekt in der Fachschule für Holzbildhauerei in Flensburg

Die Auszubildenden der Klasse BfBi 03 im dritten Ausbildungsjahr der Berufsfachschule für Holzbildhauerei in Flensburg (2006): Anna-Maria Bandholz, Nora Geißler, Christian Grimm, Sara Grohe, Magdalena Groth, Florian Hilmer,  Laurin Kause, Sonja Labus, Anna Sarah Mieves, Edith Neiteler, Bianca Palacsik, Anne Pludra, René van Raemdonck, Jonas Schröder, Pia-Maria Seeger, Klassenlehrer: Stefan Siegmund, Berufsfachschule für Holzbildhauerei in Flensburg in der Eckener Schule – Berufliche Schule der Stadt Flensburg, Schützenkuhle 20-24, 24937 Flensburg


Verlauf des Unterrichts

Der Künstler und ehemalige Lehrer an der Fachschule in Flensburg, Uwe Appold, stellte den Kontakt zwischen der St. Lamberti-Kirche in Oldenburg und der Berufsfachschule für Holzbildhauerei in Flensburg her. Die Lambertikirche in Oldenburg war auf der Suche nach einer individuellen Figur „ihres“ Heiligen – dem Heiligen Lambertus.

In der Berufsfachschule für Holzbildhauerei gab es große Bedenken hinsichtlich der Problematik, einen solchen Auftrag mit Auszubildenden anzunehmen, die gerade erste Erfahrungen mit dem Thema ,Figur“ gemacht hatten und zudem noch kurz vor ihrer Abschlussprüfung standen. Gemeinsam mit den Auszubildenden des dritten Lehrjahres entschieden wir uns dennoch, einen Versuch zu wagen, den Auftrag zu bearbeiten: Jede Schülerin und jeder Schüler der Klasse sollte einen Entwurf für die Figur des heiligen Lambertus anfertigen. Zusätzlich vereinbart wurde allerdings, dass es sich um einen Versuch handelt, dessen Ausgang ungewiss ist. Es folgte ein „Blitzbesuch“ der Schulklasse in Oldenburg um mehr über die gewünschte Figur in Erfahrung zu bringen. Der Raum und der zukünftige Standort wurden aufgenommen und die Klasse erfuhr von Pastor Hennings viel über den Heiligen an sich und seine Bedeutung hinsichtlich des Orts und der Kirchengemeinde in Oldenburg.

Anschließend begann die Klasse, sich in den Fächern Kunstgeschichte, Freihandzeichnen theoretisch und in den Werkstätten praktisch der Figur des heiligen Lambertus zu nähern. So wurde zum Beispiel ein Modellierkurs mit männlichem Aktmodell organisiert.

Da für die Klasse der Termin der Gesellenprüfung mit allen entsprechenden Vorbereitung unaufhaltsam näher rückte, wurde unter Hochdruck an den Gipsmodellen des Heiligen Lambertus und der darauffolgenden Kopierarbeit in Holz gearbeitet.

Den Abschluss des Projekts bildete der Besuch einer Gruppe aus Vertretern des Lions-Clubs Lambertus-Oldenburg und der Lambertikirche am 2.2.2006 in Flensburg, die eine Figur des heiligen Lambertus auswählte, die für die Kirchengemeinde gefertigt werden soll.

Auswahl der Figur für die Lambertikirche

Am 2.2.2006 wählten die vier Oldenburger in Flensburg die Figur von Nora Geißler dazu aus, für die Lambertikirche geschnitzt zu werden. Nora Geißler begann mit dieser Arbeit nach dem Abschluß ihrer Ausbildung in Flensburg. Sie übersiedelte nach Hamburg und schnitzte dort ihre Lambertus-Figur. Am 17.1.2007 war die Arbeit abgeschlossen und die Lambertus-Figur wurde von Lions-Club „Oldenburg-Lambertus“ der Lambertikirche geschenkt.

Hl. Lambertus von Nora Geißler; Foto: Ralph Hennings

Nora Geißler hat ihre Figur mit einem Schwert ausgestattet, das Lambertus seinen Angreifern entgegenstreckt, nicht zum Kampf bereit, sondern um auf Gewalt zu verzichten. Seine Gestalt wirkt durch das lange, einfache Gewand herausgehoben, ohne dass Insignien seiner bischöflichen Würde zu erkennen wären. Der markante, kahle Kopf verweist ebenso auf die kriegerische Tradition seiner Familie wie auf die mönchische Tonsur. Sein Körper ist kräftig und muskulös, wie der eines trainierten Kämpfers, aber seine Gestik ist eindeutig: Er öffnet die Hände und verzichtet auf Gewalt. Dabei geht er dem Besucher noch einen Schritt entgegen, um zu zeigen: Ich bewege mich in friedlicher Absicht auf euch zu, von mir habt ihr nichst zu befürchten. Die leichte Bewegtheit bricht die Strenge der Lambertusfigur und bringt so Besucher und Heiligen in eine kommunikative Situation. Damit wird die Botschaft verdeutlicht: „Ich verzichte auf Gewalt um Christi willen – und wie ist es mit dir?“